Japan- ein Reisebereicht
Japan fasziniert und inspiriert die europäische Kunst wie kein anderes Land. Seit die ersten Reiseberichte aus dem Land der aufgehenden Sonne das europäische Kontinent erreicht haben, hält die Bewunderung für Japan an. Insbesonder das textile Handwerk (Indigofärben, Shibori u.a.) und Keramik erfreuen sich enormer Beliebtheit. Aber auch Kochen, Kaligraphie, Papierschöpfen, Kampfkünste wie Karate oder Judo, sowie Zen Meditation oder neuerdings Waldbaden haben die westliche Welt erobert. Was machen die Japaner:innen anders, was wir nicht können und uns so an ihrem Handwerk fasziniert? Diese Frage hat mich intensiv beschäftigt, und da oft erst eine konkrete Erfahrung die erwünschen Antworten bringt, begab ich mich diesen Sommer auf meine erste Japanreise. Meine Eindrücke und Beobachtungen, sowie Fragen und Erlebnisse werde ich hier teilen, begleitet von Bildern, die ich unterwegs gemacht habe.
Ganz nach dem Vorbild berühmer Weltentdecker habe ich mir einen Reisejournal vorbereitet. Hierfür habe ich im Voraus Papier und Stoffstücke mit Pflanzen gefärbt, um einen schönen Hintergrund zu erhalten. Ähnliche Journals habe ich bereits für andere Projekte gemacht. Für die drei Wochen meiner Reise habe ich mich auf vier Papierbögen festgelegt, denn so viele Orte wollte ich besuchen. Dies war, wie es sich später herausstellen sollte, zwar schön gedacht aber entsprach nicht ganz der tatsächlichen Route. Mein Journal ist mixed media: mal schreibe ich oder zeichne darin, dazwischen befestige ich Eintrittskarten aus Museen oder Tempeln, die ich gelegetlich besticke. Auch kleine Fundgegenstände oder Münzen (einigeYenmünzen haben ein Loch in der Mitte, vermutlich wurden sie früher auf eine Schnur aufgezogen). Auf diese Weise hat sich mein kleines Tagebuch allmählich gefüllt und obwohl es nicht immer einfach war, sich Zeit dafür zu nehmen, so habe ich es fast täglich gemacht.
Meine Reise hat auf der Insel Shikoku, die zu einer der vier Hauptinseln zählt, begonnen. Hier sind traditionsgemäss entlang des Flusses Yoshino viele Indigowerkstätte angesiedelt. Früher, als die Flussufern noch nicht befestigt waren, stieg der Fluss regelmässig über die Ufern und ergoss sich in die anliegenden Gebiete. Dies war zwar lässtig, doch zugleich transportierte das Flusswasser die erfordelichen Nähstoffe in den Boden. Dieser ist bis heute ideal für den Indigoanbau, da die Farbpigmente der Persicaria tinctoria (so der Name der japanischen Indigopflanze) ihre Intensität letztendlich auch dem Boden zu verdanken haben. Das Handwerk des Färbens beginnt also nicht beim Farbtopf, wie viele fälschlich annehmen, sondern setzt viele Arbeitsschritte voraus, die auf den ersten Blick nicht sichtbar sind. Für mich war dies zwar nichts neues, doch es erstaunte mich, dass auch junge Menschen aus urbanen Gegenden wie Tokyo diesen Gedanken verinnerlicht haben und ihre Arbeitsprozesse danach ausrichten. Dies führt zur Frage, was ein gutes Handwerk ausmacht? Zwar zählen ja nicht bloss Tätigkeiten, die wir mit den Händen ausüben, zum Handwerk. Denn ein Handwerk kann je nach Sichtweise (fast) jede Tätigkeit sein. Dennoch scheint es mir, dass ein gelungenes (textiles) Handwerk eine gewisse Einstellung beinhaltet. Beim Indigofärben gehen viele Gedankenschritte und Körperarbeit voran: beginnend beim Vorbereiten des Bodens, über Säen, Jäten, regelmässiges Giessen und und und bis hin zur Ernte und weiteren Arbeitsschritten, die daraufhin folgen. Vereinfacht liesse es sich sagen, dass ein gutes Handwerk eine bestimmte Art und Weise beinhaltet, wie wir die Dinge denken und Arbeitsprozesse handhaben. Das finale Produkt ist somit nur eine natürliche Folge aller vorangehenden Prozesse.